70 Prozent Rückgang von Biomasse und Artenzahl bei Insekten im Offenland. Massiver Schwund von Feldvögeln. Immer weniger Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert. Grünlandtypen aus der Roten Liste zu 80 Prozent gefährdet.
Auf der Suche nach Schuldigen wird schnell die immer intensivere Nutzung der Landschaft als Hauptverursacherin des Verlustes an biologischer Vielfalt in Deutschland entdeckt. Damit stehen die vor Ort wirtschaftenden LandwirtInnen am Pranger. Doch diese Schuldzuweisungen sind zu einfach, bzw. damit einfach falsch. Unter den Bedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU haben LandwirtInnen aktuell ihr Auskommen durch Subventionen für Flächenbesitz und den Verkauf ihrer Produkte. Eine umfassende Subvention ökologischer Leistungen ist nicht vorgesehen.
Die Rechnung ist dann folgerichtig: Wirtschaftlicher Erfolg gleich Flächenbesitz plus Effizienz. In der Regel bedeutet dies Einsatz von Breitbandherbiziden statt mechanischer Unkrautbekämpfung, Nivellierung der Bodenverhältnisse auf großen Schlägen statt kleinteiliger Nutzung und Eintrag von Stickstoff am (erlaubten!) Limit, wo immer die Böden halbwegs vital sind und Erträge zulassen.
Ökonomie schlägt also Ökologie? So scheint es auf den ersten Blick: Der Rückgang von Insekten, Vögeln und Federwild ist offensichtlich. Das Rebhuhn z.B. ist in der Region nicht mehr zu sehen. Diese typischen Vögel unserer Agrarlandschaft brauchen einen Mix aus artenreichen Wiesen, Äckern mit Wildkräutern, Stoppelfeldern und Hecken. Fehlen diese Strukturen, fehlen auch Rebhühner.
Doch der zweite Blick deckt auf: Auch die vermeintliche Gewinnerin Ökonomie ist nicht stabil. Hoch-produktive Ökosysteme bringen nur volle Leistung, wenn alle biotischen und abiotischen Komponenten ineinandergreifen.
Das Problem wurde erkannt, doch auch gelöst? Immerhin müssen seit 2013 LandwirtInnen auf fünf Prozent ihrer Flächen „Greening“-Maßnahmen durchführen, um die volle Flächenprämie zu erhalten. Leider entscheiden sich die meisten LandwirtInnen aber für Maßnahmen, die gut für die Vitalität des Ackers sind (wie die Einsaat von Zwischenfrüchten), aber für den Schutz gefährdeter Arten nichts bringen. Außerhalb von Schutzgebieten, in denen extensive Bewirtschaftung großflächig gefördert werden kann, sind die Optionen der EU und dem Land hierzu Augenwischerei.
Was also ist zu tun? Das Problem wirklich anzugehen, hieße die Flächensubvention in Subvention ökologischer Leistungen umzuwandeln und die LandwirtInnen dafür zu bezahlen, dass sie dort nötige Arbeiten ausführen. Es hieße auch, EU-weit Vorgaben für den Umgang mit Ackerflächen zu machen. Nötig wäre eine europäische Agrarpolitik, die nicht von kleinbäuerlicher Landwirtschaft träumt, während die besten Böden vergiftet oder zugebaut werden, sondern eine Agrarpolitik, die weiß, dass es um Produktionsbedingungen und Lebensgrundlagen geht, die nur eine ökologische und rationale Landwirtschaft erhalten und verbessern kann – gegen Dumpinglöhne, Ausbeutung und Raubbau.
Lokal gilt: Die LandwirtInnen müssen verstehen, dass nur eine ökologische landwirtschaftliche Praxis zukunftstauglich ist. Kommunaler Standard muss es sein, die extensive Nutzung städtischer Agrarflächen zu fördern und durchzusetzen, über Blühstreifen an Feldwegen und Neuanlage von Feldhecken ein Biotopverbundsystem zu entwickeln oder bei der Eingriffsregelung auf großer Fläche Äcker und Wiesen ökologisch aufzuwerten.
Die entscheidende Frage lautet: Können wir es uns leisten, auf eine ökologische Produktion zu verzichten und weiter auf die herrschenden Produktionsverhältnisse zu setzen? Artensterben und Umweltkatastrophen kennt der Planet schon sehr lange! Doch wenn wir als Menschen eine menschenfreundliche Welt wollen, müssen wir uns ernsthaft den Kopf zerbrechen und handeln, damit nicht der Fortschritt am Ende zum Gegenteil wird. Auch zum Nutzen aller in der Landwirtschaft Tätigen.
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