Nachdem der bisherige Bundesvorstand um Ricarda Lang und Omid Nouripour seinen Rücktritt angekündigt hatte, wurde auf der Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) in Wiesbaden vom 15. bis 17. November ein neuer Bundesvorstand gewählt. Zudem läutet dieser Bundesparteitag, bei dem Abgeordnete aus allen Kreisverbänden Deutschlands vertreten waren, den Aufbruch ins Wahljahr 2025 ein – nicht zuletzt mit der Nominierung der Spitzenkandidaturen zur Bundestagswahl – oder gar der Kanzlerkandidatur.
Für uns dabei: Bernd Heß, Grünes Vorstandsmitglied des OV Bruchsal und Delegierter des KV Karlsruhe-Land. Ein Erfahrungsbericht.
Beim Packen am Freitag stellt sich die Frage: was nehme ich mit? Gibt es einen Dresscode, den ich nicht kenne? Im Nachhinhein ist man schlauer. Trinkflasche vergessen, auch wenn man so manche an den Ständen bekommen konnte, wenn man schnell genug war. Ansonsten zu viele Gedanken gemacht. Gelernt: gehe dort hin, wie du auch sonst in deinem Alltag aussiehst. Alles ist richtig.
Ankunft und Einchecken im RMCC in Wiesbaden um ca. 14.30 Uhr, nachdem eine Elektro-Tankstelle in der Nähe des Hauptbahnhofs gefunden war. Nach der Prüfung des mitgebrachten Rucksacks und der Registrierung, durfte ich das Umhängebändchen als Delegierter in Empfang nehmen. Danach gab es Stände pro Landesverband und dort nach ABC sortiert, an denen die Stimmkarten, als Papier und als Chipkarte, sowie ein weiterer Stimmblock ausgeteilt wurden. Letzterer kam nicht zum Einsatz, Stimmkarte und die Chipkarte für die Personenwahlen, sehr wohl. Interessante Schlangen beim Einlass um ca. 16 Uhr, die ich zu diesem Zeitpunkt entspannt von innen betrachten kann (dazu gibt es auch ein Bild).
Nach gefundenem Platz und Treffen von Kathrin und Marvin, die als Delegierte und Ersatzdelegierter ebenfalls schon da sind, beginnt der Tag ofiziell um 16.50 Uhr mit der Begrüßungsrede. In den kommenden Stunden und Tagen werde ich erleben, wie wichtig Sitzfleisch ist (ein schönes Sitzkissen beim nächsten Mal mitnehmen?) und wie wenig Schlaf einiger unserer Freundinnen und Freude benötigen. Der erste Tag endet offiziell um 0.30 Uhr im großen Saal, nachdem u.a. Emily Büning nach vielen Jahren als politische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen die Aufgabe übergibt. Vom ersten Tag, an dem voller Freude über mehr als 140000 Mitglieder gesprochen wird und über mehr als 9000 neue Mitgliedsanträge seit Ende der „Ampel“-Koalition (Stand 23.11.: mehr als 15000), bleibt mir der Satz von Annalena Baerbock hängen: „Humanität und Ordnung sind kein Widerspruch!“. Des Weiteren wird auf die reale Gefahr hingewiesen, dass der Klimaschutz durch autokratische Regierungen rückabgewickelt werden solle. Außerdem wird gewarnt, dass Bildung, Forschung und Innovation nichts in den Händen der FDP zu suchen habe. Wenn man meinte, dass nach vielen Reden und Tagesordnungspunkten um 0.30 Uhr alle froh sind ins Bett zu kommen, irrt. Emily Büning lädt im 2. Stock zu einem gesonderten Treffen ein, dessen Teilnehmerzahl die Raumgröße überschreitet. Man sieht weitere Gesprächsgruppen und sogar noch Aktivitäten in den beiden Ausstellerräumen, so dass man sich beginnt über das Durchhaltevermögen vieler Teilnehmer/-innen zu wundern. Erster Tag endet um 1.30 Uhr im Hotelzimmer.
Tag 2: Unsere Oberbürgermeisterin und weitere grüne Freund/-innen haben sich auf den Weg nach Wiesbaden gemacht und verstärken das Team „Karlsruhe-Land“. Herzliche, ganz besonders wertschätzende Verabschiedungen von Ricarda Lang und Omid Nouripour als Bundesvorsitzende. Ricardas Abschiedsrednerin ist Luisa Neubauer, eine der bekanntesten Klimaschutzaktivistinnen in Deutschland, die alle auffordert zum Klimawahlkampf und rät „mehr Ricarda zu wagen“. Im Hinblick auf die Kommentare und die Publikationen der letzten Monate stellt sie fest: Als Frau in der Politik ist dir eins sicher, nämlich, dass du alles falsch machst. Über Omid sagt Abschiedsredner Wolfgang Ischinger, langjähriger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, er sei eine laufende, vertrauensbildende Maßnahme. Von Ricarda bleibt mir der Satz hängen, den sie uns allen als dringenden Rat mitgibt: Politik machen, um das Leben der Menschen besser zu machen, nicht um uns besser zu fühlen. Wichtig, so sagt sie auch, ist die Menschen mit ihren Fragen und Sorgen ernst zu nehmen und füreinander da zu sein, so dass alle genug zum Leben haben.
Was blieb noch hängen? Merz = vorgestern, Schulz = gestern, Robert = heute + Zukunft, Kein Kuscheln mit Diktatoren!, Verbinden aber nicht Spalten!, Brücken bauen ja, aber wen auf der anderen Seite keiner ist, der eine Brücke will, was dann? > in Konflikten müssen wir Positionen beziehen, in Jahrzehnten wurde durch die Vorgängerregierungen das Land kaputtgespart, We will never go back (Verbrenner, Kernenergie)!, Grüne behandeln die Menschen als Erwachsene und sagen daher auch unangenehme Wahrheiten (Wohlstand der vergangenen Jahre basierte auf billigen fossilen Rohstoffe, diese Zeit kommt nicht wieder).
Franziska Brandtner sagt, dass wir in drei Jahren nicht die Versäumniss von 16 Jahre Merkel beheben können und wir Investitionen benötigen. Den Gürtel enger zu schnallen bringe nichts, wenn die Hose fehlt. Die Pläne manch politischer Mitbewerber seien keine Klimaschutz- sondern Wohlstandsvermeidung. Robert Habeck hat uns in nur einem Jahr von der Abhängigkeit russischen Gases befreit, wir sind nicht mehr erpressbar.
Danach erfolgen viele Wahlen zum neuen Bundesvorstand und zu verschiedenen Kommissionen.
Am Sonntag folgt dann die fulminante Rede von Robert Habeck eingeleitet durch unsere Außenministerin Annalena Baerbock Unbedingt anschauen und danach überlegen, was die politischen Mitbewerber im Gegensatz dazu anzubieten haben. Robert: „Viele andere Politiker geben den Menschen das Versprechen, dass es wieder so werden wird, wie es niemals gewesen ist.“
Alles in allem: ein sehr inspirierendes Wochenende, das von allen Teilnehmern zu einem wertschätzenden und begeisterten Erlebnis gemacht wurde. Es war großartig und hat unheimlich Energie gegeben, auch wenn der Schlaf in der 2. Nacht auch nicht mehr wurde. Die Party begann nach dem Sitzungstag am Samstag, der pünktlich um 9.30 Uhr startete und um 23 Uhr endete, und ging laut Erzählungen bis in die frühen Morgenstunden. Mein Tag 2 endete um 0.30 Uhr im Hotelzimmer, um mich auf Tag3, der wieder um 9.30 Uhr startete vorzubereiten. Die BDK endete am Sonntagmittag um 14 Uhr. Nun mit dem Wissen ausgestatte, dass wir so viele sind und dass wir so angenehm und wertschätzend miteinander umgehen, macht es einfach in den Wahlkampf zu ziehen. Wir müssen diese Begeisterung und diese Klarheit in Bezug auf unsere Zukunft in den nächsten Wochen unters Volk tragen und unsere Überzeugung kundtun.
Schluss, ein Zitat der „Ärzte“, das von einem der Redner/-innen genannt wurde: Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.
Und ja, es gab auch schöne Momente der Erinnerung und der Dankbarkeit für gestandene und verdiente Politiker:innnen wie z.B. Ska Keller, Reinhard Bütikofer und Jürgen Trittin, die mit humorvollen und hinter-die-Kulissen-blickenden Beiträgen das Plenum in den Bann zogen.
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