Haushalt 2020 – Rede von Ruth Birkle (Grüne)

Wie jedes Jahr beim Schreiben der Haushaltsrede fragen wir uns, was an dieser Rede wirklich wichtig ist. Auf jeden Fall bietet sie eine Chance, gehört oder gelesen zu werden. Wir fragen uns dabei aber auch: Was geschah im ablaufenden Jahr 2019, wie wurde das für 2019 Geplante und Beschlossene umgesetzt? Was stand nicht im Haushaltsplan oder wurde viel teurer als damals dort ausgewiesen?

Blicken wir also zurück ins ablaufende Jahr: Die teuerste Überraschung war die neue Bahnhofsunterführung. Die Tunnelverlängerung auf die Westseite zur Bahnstadt hat sich leider enorm verteuert, ohne dass ein Radweg oder eine andere Verbesserung dazu gekommen wäre. Auch wenn wir eine Brücke bevorzugt hätten: Wir begrüßen es, dass der unterirdische Fußweg bald frei ist und es damit einen Westseitenzugang zu den Bahngleisen gibt.

Das erleichtert die Wiederaufnahme der Stadtbahnverlängerung S2. Die Strecke Spöck-Karlsdorf-Neuthard-Bruchsal-Waghäusel war schon vor sieben Jahren in der Diskussion, sie fiel aber in der Bewertung aus wirtschaftlichen Gründen durch. Damals sollte die Trasse durch die Bruchsaler Innenstadt führen mit zwei Überquerungen der Bahngleise. Wir waren bereits damals überzeugt, dass der schienengebundene Verkehr als umweltfreundliche Erfolgsgeschichte zu unterstützen ist. Jetzt gibt es die Möglichkeit der Westseitentrasse mit Bahnanschluss, die ohne Gleisquerung den unbedingt notwendigen Anschluss an den Bahnhof Bruchsal hat, außerdem erfahren grüne Forderungen Zuspruch von einer neu erwachten Umweltbewegung und Umweltsensibilität.

Vor einer Woche war in der Zeitung zu lesen, wie erschreckend hoch der CO2 Ausstoß der Fahrzeugflotte der Ministerinnen und Minister auf Bundes- und Landesebene ist – wir haben nicht nachgerechnet, wie das in Bruchsal bei den Verwaltungsspitzen, Geschäftsführern und Geschäftsfüherinnen aussieht: Doch finden sich hier immerhin zahlreiche elektrisch und gasbetriebene Fahrzeuge und auch einige, die den ÖPNV nutzen, das Rad oder sogar laufen.

Bei neuer Zuwendung zu Umweltfragen aber gewinnt auf jeden Fall der schienengebundene Verkehr und bei einem Blick ins Ausland zeigt sich: Deutschland hat ziemlich viel nachzuholen:  Die einen schaffen Straßenbahnlinien ohne Oberleitungen und andere ertüchtigen ihre Güterbahntrassen. Deutschland dagegen bremst den Schienenverkehr aus und leistet sich seit Mitte der 1990er Jahre die großzügige Stilllegung zahlreicher Bahnstrecken, ca 6500 km inzwischen.

Erfreulich war, dass wir schnell Verbündete für das Thema fanden und Mehrheiten. Inzwischen übernahm sogar die größte Fraktion im Kreis das Thema. Im Januar bei der Kreishaushaltssitzung soll nun eine Planungsrate von 200000 in den Kreishaushalt aufgenommen werden. Da sagen wir selbstverständlich nicht nein, trotzdem lassen wir heute unseren Bruchsaler Antrag stehen. Wir wollen, dass der Bruchsaler Gemeinderat die Kreisentscheidung ausdrücklich fordert – schließlich trägt Bruchsal das Projekt umlagefinanziert mit! Sollte der Kreistag wider Erwarten das Projekt zurückstellen, werden wir darauf zurückkommen. Wir schlagen deshalb einen Beschluss vor, der betont, dass die Stadt Bruchsal sich für eine Neuaufnahme der Planungen für den Neubau einer Stadtbahnlinie Spöck-Bruchsal-Waghäusel einsetzt und die Kreisverwaltung auffordert, zügig in die Planung einzusteigen.

Wir schlagen auch eine getrennte Bewertung der beiden Teilstücke Stutensee-Bruchsal, Bruchsal-Waghäusel vor: Auch wenn sich vielleicht nach dem Bewertungsverfahren ein Teil nicht rechnen sollte- so sind wir doch überzeugt: Sollte ein Teil der Strecke in Betrieb sein, wird der Erfolg schnell zum Bau des anderen Stücks führen. Ebenso schlagen wir in unserem Antrag vor, nur die Westseitentrasse zu prüfen, um nicht Planungsmittel für die bereits geführte und abgelehnte Trasse zu verschleudern.

Wir bitten im Anschluss um Zustimmung, viele Ratskolleginnen und Kollegen haben sich bereits im Vorfeld zustimmend geäußert. Das Projekt ist konkreter Klimaschutz und wird mit Sicherheit eines Tages – wenn die Bahn dann fährt – nicht mehr wegzudenken sein.

2019 unterstützten wir den Haushalt auch wegen der Aufstockung der Sozialarbeit in den Jugendhäusern und der neuen Archivstelle, die inzwischen endlich besetzt ist. Dieses Jahr fordern wir eine neue Stelle Umwelt. Damit gibt es mehr Arbeitskraft für unterschiedliche Natur-, Klima- und Umwelt-, Insekten und Artenschutzmaßnahmen. Wir begrüßen es auch, dass die halbe Stelle Mobilität wieder dem Umweltbereich zugeordnet wird.

Es gibt auch hier viel zu tun, wenn Rad- und Fußverkehr wirklich gefördert werden sollen: Nach wie vor gibt es zahlreiche schwierige Stellen – Orte – bei denen zu bezweifeln ist, dass diese Planungen und Radstreifen der Straßenverkehrsordnung entsprechen. Es ist erstaunlich, was dem Rad- und Fußverkehr zugemutet werden kann: Fühlt sich dagegen der PKW-Verkehr eingeengt, werden Häuser abgerissen. Wir begrüßen die geplante Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes mit dem Zentralen Omnibusbahnhof ZOB und hoffen hier auf zeitnahe Umsetzung. Das zuerst noch ausgeklammerte Radhaus, das Parkhaus für Fahrräder, wird auch folgen müssen – wir regen an zu prüfen, ob es nicht eine Kombination mit dem geplanten Bahnparkhaus geben kann.

Wegen der neuen Stellen im Bereich Umwelt ist der Haushalt 2020 für uns annehmbar.

Nach wie vor auf dem Abstellgleis ist das Thema Lärmschutz: Das Lärmgutachten machte viel Lärm um nichts, der Lärmaktionsplan wartet auch weiter auf Maßnahmen. Wir schlagen vor, zu prüfen, welche weiteren Temporeduzierungen, die schnell und günstig Lärmschutz bringen, umgesetzt werden können, auch auf den Bundestraßen an den Ortsausgängen, sei es auf der B35 mit ihrem Beschleunigungsstreifen am Hang Richtung Heidelsheim oder auf der B3 Richtung Bad Schönborn, die zum Rasen verleitet.

Nicht richtig in Fahrt ist aktuell die Bruchsaler Wohnungsbaugesellschaft: Immerhin aber nahm der Neubau Weidenbusch Fahrt auf und wir hoffen sehr, dass die neue Weichenstellung zu Jahresende die stockende Fahrt beendet. Wir brauchen weiterhin Wohnraum, auch wenn teure Bauzeiten wie diese besonders schwierig sind für kommunalen Wohnungsbau. Der Spagat zwischen Wohnrecht und Wirtschaftlichkeit wird dann besonders schwierig, wenn das private Kapital ins Betongold flieht, die Lohnentwicklung aber nicht analog der Preisentwicklung für Wohnen verläuft und die Aktivierung von Leerstand erheblichen Problemen begegnet.

Wir begrüßen die Fortsetzung des Projekts Seepferdchen, dank der Unterstützung durch die DLRG. Wir hoffen nach wie vor, dass es gelingt, das Projekt zu einem Landesprojekt weiter zu entwickeln, damit alle Kinder schwimmen lernen.

Wir stehen hinter dem kommunal finanzierten Kindergartenausbau, sei es in Heidelsheim, Untergrombach oder in Büchenau. Wir haben immer schon bei Planungen von Neubaugebieten darauf hingewiesen, dass diese selbstverständlich Kosten nach sich ziehen, Kindergärten zum Beispiel. Wir stehen aber nach wie vor hinter dem Grundsatz: Öffentliche Einrichtungen unter öffentliche Kontrolle. Das heißt im Moment auch wirklich: Unter kommunale Trägerschaft. Kontrollverlust haben wir erneut beim Kindergartenneubau Heidelsheim erlebt. Wir werden bei den weiteren Neubauprojekten darauf zurückkommen! Das alles muss finanziert werden.

Wir haben deshalb wiederholt in den vergangenen Jahren Steuererhöhungen gefordert: Wir stimmen auch jetzt der geforderten Erhöhung der Steuern zu, anders sind die Projekte und die dafür notwendige Personalerhöhung nicht zu leisten. Es ist offensichtlich, dass eine steigende Bevölkerungszahl auch mehr Arbeitskraft in der Verwaltung erfordert und damit Kosten verursacht. An den städtischen Projekten hängt die Lebensqualität: Kindergärten, Schulen, Sporthallen, Bäder, Bibliothek, Musikschule, Stadtbus, Radwege, Theater, Sport- und Kulturvereine… Sie brauchen Geld und dieses sollte nicht aus Überschuldung, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen aufgebracht werden .

Aktuell beobachten wir, dass der Verwaltungsapparat Schwierigkeiten hat, – vielleicht der Bahn vergleichbar – den Verkehr reibungslos abzuwickeln. Es ist im Moment schwierig ist, neue Stellen zu besetzen und Personal zu halten, die Aufgaben steigen, zB neue Kindergärten sind unbedingt zu planen und zu bauen. Dazu braucht es – wie gesagt –  ebenso Personal wie im Umweltbereich, deshalb stimmen wir der Personalerhöhung zu. Doch wir erwarten auch von der Verwaltungsspitze Struktur – und Aufgabenkritik: Es gibt einiges, was unnötig Arbeit produziert und Zeit frisst – egal wie nett es nach außen ankommt. Lange Vorträge in den Ausschüssen – um nur ein kleines Beispiel zu nennen – müssen nicht mehrfach erfolgen und die Außeneinsätze der Verwaltung in den Ortsteilen können sicher effektiver erfolgen.

Zum Schluss: Im Haushalt ist – wie immer – das meiste Pflicht. Die bekannten Freiwilligkeitsleistungen sind weiterhin drin und, wichtiges aus unserem Programm ist enthalten: Der Umweltbereich nimmt Fahrt auf und wird verstärkt.

Nach Abwägen dieser Punkte: Wir stimmen dem Haushalt zu.


 


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