Haushalt 2021 – Rede von Ruth Birkle (Grüne)

Wie jedes Jahr beginnen wir unsere Haushaltsrede mit einem Rückblick und fragen uns: Was geschah im zu Ende gehenden Jahr, wie wurde das Geplante und Beschlossene umgesetzt?

2019 haben wir uns über die Verteuerung der Bahnhofsunterführung beschwert. Gefreut haben wir uns über die Aufnahme einer Planungsrate von 200000 Euro für die S2 Straßenbahnstrecke Spöck-Karlsdorf-Neuthard-Bruchsal-Waghäusel, die in den Kreishaushalt eingestellt wurde. Durch die vorgeschlagene Westseitentrasse und die Möglichkeit, ohne Oberleitungen im Bahnstadtbereich zu fahren, gab und gibt es neue Möglichkeiten für die Ertüchtigung der Schiene. Leider gibt es aktuell noch keine neuen Bewertungskriterien, sodass die standardisierte Bewertung noch fehlt. Doch auch der Kreis steht weiter zu dem Projekt. Wir hoffen sehr,
dass für dieses ökologisch und sozial sinnvolle Projekt auch Fördergelder des Landes zur Verfügung stehen werden und die Planung im kommenden Jahr Fahrt aufnimmt. Die Stadt Bruchsal muss dabei darauf achten, dass die mögliche Trasse freigehalten wird. Wir danken dem Stadtplanungsamt dafür, dass es die Straßenbahn im Auge behält.

 

Der neuen Artenschutzstelle, die dieses Jahr besetzt wurde, wünschen wir viel Erfolg. Es gibt viel zu tun: auch im Stadtgebiet gibt es zahlreiche interessante ökologische Nischen, die Beachtung verdienen, alte stillgelegte Gleisanlagen zB, aber auch die Umgebung mit den reizvollen Hohlwegen. Der Antrag der Freien Wähler auf zukünftige Begrenzung des Stellenaufbaus im Umweltbereich, verdient keinen weiteren Kommentar. Deshalb gleich zurück zu den Hohlwegen. Diese verleiten leider dazu, sie zum Mountainbikefahren mit Spaten und Sägen zu bearbeiten.
So wird nicht nur deren Charme zerstört, sondern wertvolle Biotope. Wir verstehen das Hobby – schließlich geht es um Radfahren – und haben deshalb angeregt, eine Mountainbikestrecke anzulegen. Wir kennen die Schwierigkeiten eines solchen Projekts, aber vielleicht kann das Projekt in Zusammenarbeit von BTMV/Kraichgau Tourismus, Förster und Artenschutzstelle gelingen. Und mit der Unterstützung durch die Freien Wähler.

 

Immerhin wurde 2020 in der Schönbornstraße ein neuer Radweg gebaut, doch auch Herr Hambsch wird weiterhin genug zu tun haben. Nach wie vor gibt es zahlreiche schwierige Stelle, die nicht der Straßenverkehrsordnung entsprechen und die teilweise gefährlich sind, bzw. dann gefährlich werden, wenn wirklich mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen.
Zum Beispiel der Radweg Bruchsal-Heidelsheim. Auch wir fordern eine Erhöhung der finanziellen Mittel für Radwege, wie sie die SPD fordert, denn auch wir würden gerne und schneller das Radwegenetz ausbauen: Allerdings wird das vielleicht ein weiteres Projekt der Liste der geplanten Maßnahmen, die auf Ausführung warten, weil das Personal mit der Abarbeitung nicht hinterher kommt.

 

Wir begrüßen die geplante Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes mit dem Zentralen Omnibusbahnhof ZOB und hoffen, dass hier die Planung auch voran geht. Wir werden uns dafür einsetzen, im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes Tempo 30 in dem ganzen Bahnhofsbereich einzuführen: Das entspannt die Verkehrssituation deutlich.

 

Damit sind wir auch beim Thema Lärmschutz. Lärm macht krank und vermindert die Lebensqualität: Bruchsal ist als Verkehrsknotenpunkt auch eine laute Stadt. Wir schlagen deshalb vor, möglichst zügig an der Temporeduzierung weiter zu arbeiten und alle Spielräume zu nutzen. Temporeduzierung ist die billigste Lärmschutzmaßnahme, sie ist außerdem unsichtbar (steht nicht als Mauer oder Wand in der Sicht) und senkt den Spritverbrauch. Besonders laut sind Motorräder – es gibt leider auch einen gewissen Spaß am Motorengeheul. Vielen Motoradfahrern fällt das selbst gar nicht auf. Wir haben deshalb angeregt, eine Motoradlärmanzeige zu installieren. Diese belohnt nicht nur wie üblich die angepasste Geschwindigkeit mit einem grünen Lachgesicht, sondern weist auch auf den erzeugten Lärmpegel hin.

Die Bruchsaler Wohnungsbau hat nun wieder den Geschäftsführer, mit dem das Projekt Weidenbusch begonnen wurde. Wir verstehen den Antrag der SPD, der Bruchsaler Wohnungsbaugesellschaft 1 Million zuzuschießen und werden selbstverständlich nicht dagegen stimmen. Doch sind wir der Meinung, dass erst in der BruWo ein neues Projekt geplant werden muss und dieses dann dementsprechend gefördert. Es ist aber nur eine Frage der Reihenfolge und der personellen Möglichkeiten der Wohnbaugesellschaft, kein politischer Dissenz.

Wir brauchen weiterhin Wohnraum, denn der Zuzug nach Bruchsal ist ungebremst. Wohnungseigentümer meiden oft die Vermietung, weil sie es sich leisten können und den möglichen Ärger scheuen, aber auch, weil Vermieten in vielen Bereichen nicht wirklich lukrativ ist. Wir brauchen dringend kluge Lösungen für die Aktivierung von Leerstand. Hier hoffen wir auf unsere Wohnraummanagerin. Vielleicht könnte hier auch eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung zielführend sein? Sie könnten Bruchsal zur Pilotkommune für eine leerstandsfreie Stadt machen.

 

Wir stehen hinter dem kommunal finanzierten Kindergartenausbau, sei es in Heidelsheim, Untergrombach oder in Büchenau. Der Kindergarten in Heidelsheim wird sicher im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängerbauten ein stabiles hochwertiges Gebäude, er wurde schließlich auch viel teurer als anfangs gedacht.  Die Entwicklung dort hat uns in unserer Forderung bestätigt: Öffentliche kommunal finanzierte Einrichtungen sollen auch unter öffentliche Kontrolle, unter kommunale Trägerschaft. Wir haben vor einem Jahr gesagt, dass wir bei weiteren Kindergartenneubauten darauf zurückkommen: Doch wir scheitern an diesem Punkt leider immer wieder. Es scheint alternativlos, dass die Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft bleiben. Doch immer mehr Familien sind nicht kirchlich gebunden und die Stadt bezahlt die Einrichtungen inzwischen nahezu vollständig, ohne Einfluss zu haben. Das Bau-Projekt, das uns vor kurzem für Büchenau vorgelegt wurde, fanden wir dennoch reizvoll, denn es verband Wohnen mit einem Kindergarten. Das Projekt wurde ohne Protest der CDU vertagt.
Jetzt fordert die CDU Fraktion aber einen Kindergarten in Büchenau, gerade so, als hätten die anderen Parteien den vorgelegten Plan abgelehnt. Und gerade so als wären wir gegen einen Kindergartenbau. Das waren wir nie. Wir haben immer zugestimmt – wenn auch unter Protest mit dem Verweis auf die Trägerschaft. Wir werden auch im kommenden Jahr unsere Forderung nach einer kommunalen Einrichtung wiederholen, ebenso nach einem gemischten, multifunktionalem und mehrstöckigem Bauen: Wohnungen plus Kindergarten. So wird die vorhandene Fläche besser ausgenutzt und die Gebäude sind je nach Bedarf vielfältiger verwendbar.

 

Wir stimmen dem Stellenplan zu, denn auch ohne gesellschaftliches Leben, ohne Bäder, Musikschule oder Theater muss die Stadtverwaltung funktionieren. Die Stadt wächst und es ist davon auszugehen, dass auch Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit zunehmen. Außerdem müssen die Projekte und Konzepte auch umgesetzt werden: Zum Beispiel Thema Wohnraummanagement. Allerdings müssen auch Stellen, die frei werden, zügig wieder neu besetzt werden. Das scheint nach wie vor schwierig und immer wieder wird behauptet, das läge auch an der schlechteren Bezahlung und der geringeren Attraktivität von kleineren Städten.
Da wir Rückmeldungen zu Personallage und -situation oft kaum durchschauen können, schlagen wir vor, das Thema möglichst bald auch zum Thema einer Klausursitzung zu machen.

 

Wie jedes Jahr ist im Haushalt das meiste Pflicht. Die bekannten Freiwilligkeitsleistungen stehen weiterhin drin und unsere Projekte werden zumindest wohlwollend bearbeitet, das Lärmdisplay umgesetzt. Wir stellen jedoch den Haushalt 2021 auf, als sei das Haushaltsjahr 2020 so gelaufen, wie 2019 beschlossen. Doch es kamen nicht – wie gewohnt – während des Jahres überraschend neue Projekte dazu, sondern es wurden Einrichtungen geschlossen und investiert in Leer- und Stillstand, in einem Maß, in dem sich das niemand vorstellen konnte.

Bund und Land haben alles so weitgehend ausgeglichen, dass wir hier einen Haushalt aufstellen können als hätte es dieses Jahr 2020 nie gegeben. Doch die Pandemiemaßnahmen dauern an und werden auch diesen Haushaltsplan betreffen. Die Zinsen sind und bleiben so tief, dass Silvio Gesell schon vor 110 Jahren mit seiner Idee der Freiwirtschaft und des Schwundgeldes gestaunt hätte. Sein Ansatz war vor nicht langem wieder in Mode und wurde auch in Bruchsal und auch im kirchlichen Umfeld diskutiert. Das zinsfreie Paradies ist immer wieder Thema, doch leider endet das in der Regel in merkwürdigen Geldphantasien und nicht in einem wirklich kritischen Blick auf Potential und Möglichkeiten, die wir Menschen haben könnten.

Aktuell herrscht geschocktes Schweigen und die Hoffnung, die Menschheit mit dem Primat der Politik und der Kraft des Staates zu retten. Die Milliarden gehen leider nicht in einen ökologisch-sozialen Umbau der Produktion und Verteilung, nicht in den Ausbau des Bildungswesens, der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, auch nicht in Umwelt, Sport oder Theater und Musik. Sie retten im Moment dennoch viele Existenzen, die durch Lockdown-Maßnahmen zerstört zu werden drohen und wir können versuchen, wenigstens im kommunalen Bereich bei allen Investitionen mit Corona-Ausgleichsgeldern doppelt kritisch auf Sozial- und Umweltverträglichkeit achten. Das wird nicht einfach werden, denn die Gelder retten auch unseren laufenden Haushalt und verschaffen im Moment die Illusion geregelter Zustände im kommenden Jahr.

Wir stimmen dem Haushalt zu.

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