Gemeinderatssitzung am 30. März 2021 – wie haben wir abgestimmt?

Unter TOP 2 wurde der erste Bruchsaler Integrationsbericht vorgestellt. Dazu Ruth Birkle (Grüne):

„Auch von uns großes Lob für den Bericht. Ganz wesentlich bestätigt er die Wichtigkeit der Sprache für erfolgreiche Integration, hier ist viel zu tun.

Kritisch betrachten wir aber, dass der Bericht dem Integrationskonzept der Interkulturalität folgt. Merkwürdig ist, dass diesem Ansatz so viele folgen, obwohl bei uns die universellen Menschenrechte im Grundgesetz verankert sind. Doch tatsächlich geht ein Trend dahin, die universellen Menschenrechte in Frage zu stellen und anderen Menschenrechtsideen zu folgen, z.B. der Kairoer Erklärung.

Das ist etwa so, als würden wir die Kultur unserer Vorfahren wieder entdecken und als mögliche Kultur neben der jetzigen einführen.

Deutsche Kultur vor 120 Jahren hieß z.B. Geschlechtertrennung bei der Bildung, Benachteiligung unehelicher Kinder, keine Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Bei einigen Dingen schütteln auch die Konservativen heute den Kopf und wundern sich. Bei anderen müssen einige immer noch schlucken und tun sich schwer, z.B. bei der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Was nun, wenn der Teil unserer Vorfahren, der der Kultur seiner Zeit treu verbunden war, mit unserer heutigen Welt, mit dem Teil, der sie verteidigt, eine Interkultur bilden müsste? Wer von uns wollte den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ mit ihnen gemeinsam in Frage stellen? Was wäre diese Interkultur?

Wir sehen hier und heute Fortschritt, Erfolg langer Kämpfe und Auseinandersetzungen. Dieser reicht aber noch lange nicht, um arrogant zu werden: Auch wir sind noch auf dem Weg in eine Welt, in der hoffentlich weitere heute vorhandene Zwänge und Einschränkungen als alte Schrullen angesehen werden.

Das heißt: Kultur ist nichts Statisches, nichts, was Menschen anhaftet, wenn sie auf die Welt kommen – wie Hautfarbe und Geschlecht. Kultur ist durch die Erziehung erworbenes Verhalten und Denken. Der Mensch darf sich von ihr befreien. Wer Menschen eine feste Kultur zuschreibt, schränkt sie ein. Aufklärung hieß und heißt, den Menschen befreien aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit.

Dieser letzte Satz, den jetzt wahrscheinlich alle hier unterstützen, wird aber nach der postmodernen Wende an den Universitäten in Frage gestellt: Die Idee der universellen Menschenrechte gilt als westlich, arrogant und besserwisserisch.

Wir stellen die Frage: Wollen wir wirklich dem Konzept Interkulturalität folgen bis zur Infragestellung der Ideen der Aufklärung und der Menschenrechte? Wollen wir der Idee folgen, dass die heutigen Kulturen, das meint Verhaltensweisen und Überzeugungen, festgeschrieben sind und mitsamt ihrem Elend nicht überwindbar? Dass die universellen Menschenrechte westlicher Zivilisationsmüll sind, keine Grundlage für eine weitere Entwicklung hin zu einer anderen Welt?

Wir wissen, dass auch im sogenannten Westen, in Europa, in Deutschland, in Bruchsal der Weg noch weit ist in eine Welt ist, in der der Mensch kein „erniedrigtes, geknechtetes, verächtliches Wesen“ mehr ist, in der jeder Mensch nach seinem Können und Vermögen das Glück finden kann.

Wir halten dennoch daran fest, dass ein Zurück in die Kultur unserer Vorfahren der falsche Weg ist. Wir wollen Integration, die stabil ist gegen reaktionäre Zuschreibungen und Bräuche, wir wollen Integration mit dem Blick auf das Individuum, nicht auf die Gruppe, der es in fragwürdiger Weise zugeschrieben wird.

Dass wir unseren eigenen Ansprüchen dabei nicht gerecht werden, kann nicht heißen, sie aufzugeben.“

 

Unter TOP 3 wurde ein Lärmschutzwall entlang der Landesstraße 558 beschlossen, den die Firma Konrad Schweikert GmbH entlang der Siedlung „Kleinfeld“ in Büchenau mit Erdaushub anlegen wird.

Dazu Stichpunkte von Peter Garbe (Neue Köpfe):

„Kontroverse Diskussion zu Thema, als Ergebnis trotzdem mehrheitliche Zustimmung zu Beschlussvorlage.  ABER Kritik zu Begründung der Beschlussvorlage

  • Anliegen von Fa. Schweikert legitim und Einbau von Erdaushub in Lärmschutzwall zur Entsorgung grundsätzlich plausibel
  • Allerdings ausschließlich Betrachtung von Win-Win-Situation für Beteiligte, Eingriff als Solcher wird nicht betrachtet
  • Verwaltung zäumt Pferd hier von hinten auf: Da Projekt in freier Landschaft realisiert werden soll, wäre zunächst städtebauliche Gesamtschau geboten, also: Lärmschutzfunktion signifikant?, Standort geeignet?, Vermeidung von erheblichen Beeinträchtigungen möglich?Betrachtung von Win-Win-Aspekten (günstige Entsorgung von Erdaushub, möglicher Lärmschutz, Entschädigung betroffener Grundstückseigentümer, Überschuss ÖP) erst bei planerischer Ausgestaltung
  • Als Eingriff betrachtet: Lärmschutzfunktion nur gering nur Aufwertung von Biotoptypen, Bewertung von Boden und Landschaftsbild unterbleibt – in Summe: ist Standort überhaupt für Lärmschutzwall geeignet?
  • Skepsis: nach Auskunft von LRA kein BP für Projekt nötig … (ein Landwirt, der seinen Acker als Standort für einen Erdwall anbietet, um darauf ÖP zu generieren, dürfte ja das dann auch😉)“

 

Unter TOP 7, 8 und 9 wurde der Sachstand zum im Januar 2020 beschlossenen Energieleitplan Bruchsal vorgestellt, die Fernwärmestrategie der Stadtwerke und das geplante Energiequartier Belvedere. Dazu Ursula Häffner (Grüne):

„Gut, dass Bruchsal bereits so früh und als Pilotgemeinde eine kommunale Wärmeplanung erarbeitet hat. Die klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2050 erfordert enorme Anstrengungen – je früher man sich auf den langen Weg macht, desto besser. Und das Projekt, mit anderen Modellkommunen und Unterstützung des Umweltministeriums einen der ersten Wärmepläne zu erarbeiten, hat zu viel Expertise in Sachen Wärmewende geführt, die jetzt bei Stadtverwaltung und Stadtwerken zur Verfügung stehen. Also ein klares Ja zur Fortentwicklung der kommunalen Wärmeplanung mit den Landeszuweisungen 2021.

Und ein klares Ja zum Fernwärmenetz im Energiequartier Belvedere. Ein kluges Baukastenprinzip, das in vieler Hinsicht weiterentwickelt werden kann: Durch Aufnahme weiterer Abnehmer der zentral erzeugten Wärme, durch einen stadtweiten Fernwärmeverbund, schließlich durch ein Umsteigen von Erdgas auf erneuerbare Energien bei der Wärmeerzeugung. Es ist klar, dass wir bei der Wärmeerzeugung nicht eins zu eins von fossilen Brennstoffen auf Biogas oder Pellets wechseln können, ohne in Zielkonflikte mit dem Naturschutz zu geraten. In ein paar Jahren wird absehbar sein, wir es mit der Tiefengeothermie im Oberrheingarben weiter geht, Wärmegewinnung aus Solarthermie plus Wärmespeicher, Umgebungs- und Abwärme werden weiterentwickelt sein. Es ergeben sich zusätzliche Optionen, die ausschließlich durch zentrale Wärmeversorgung nutzbar sind, oder die zumindest zentral effektiver eingesetzt werden können. Daher ist der Aufbau von Wärmenetzen grundsätzlich sinnvoll – und sie sind ein wertvoller Beitrag zur Stabilisierung der Stadtwerke.

Klar ist aber auch, dass zur Wärmewende zwingend gehört, den Wärmebedarf von Gebäuden kontinuierlich zu reduzieren, beim Neubau und der Sanierung – mit Wärmenetzen und erneuerbarer Energie alleine ist sie nicht zu schaffen.“

 

Bei TOP 10 und 11 wurden neue Rechtsverordnungen für die Baggerseen in Untergrombach und Büchenau beschlossen. Dazu Dr. Hartmut Schönherr (Neue Köpfe):
„Wir begrüßen nachdrücklich die lange überfälligen neuen Rechtsverordnungen für die Baggerseen Untergrombach und Büchenau.

Die Corona-Situation hat die Überlastung insbesondere des Baggersees Untergrombach im Rahmen der alten Rechtsverordnung noch einmal verschärft, abgezeichnet hatte sich die Entwicklung allerdings schon seit Jahren.

Zur problematischen Entwicklung gehörte insbesondere die zunehmende Nutzung der Liegewiese für Grillvergnügen, die erstens die Verweildauer am Baggersee ausweitete, zweitens immer größer werdenden Gruppen anzog und drittens die Aufenthaltsqualität für Nicht-Griller durch Rauchwolken erheblich einschränkte und zudem, last not least, die Waldbrandgefahr erhöhte.

Wie begrüßen auch, dass die zunehmende Nutzung durch Taucher in sinnvolle Bahnen gelenkt wurde. Insbesondere traten Tauchschulen zunehmend auf und haben sowohl auf den Liegeflächen als auch im Wasser einen Verdrängungswettbewerb gestartet. Als Schwimmer oder Schwimmerin ständig gewahr sein zu müssen, dass unter einem ein Taucher herumpaddelt, ist eine erhebliche Zumutung. Taucher haben gewiss ein legitimes Recht, ihren Sport auszuüben. In der beengten Situation unserer beider Baggerseen müssen aber auch die Interessen der Schwimmer – und der Natur – gewahrt bleiben.

Es ist nicht Gegenstand der Rechtsverordnung, aber wir möchten bei dieser Gelegenheit anmahnen, dass für eine Radabstellanlage am Baggersee gesorgt wird. Wir halten auch den ausgewiesenen Auto-Parkraum für weit überzogen. Er steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Größe der Liegefläche.

Zustimmung zu den Rechtsverordnungen.“

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