Haushaltsrede Grüne/Neue Köpfe, 21.12.2021, Ruth Birkle

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Petzold-Schick,
Herr Bürgermeister Glaser, Verwaltung, Kolleginnen,
Kollegen und Gäste,

 

Zu dem heute vorliegenden Haushaltsplan gibt es mehr Anträge als zu den Haushaltsplänen der Jahre zuvor. Auch unsere finanziellen Forderungen sind dieses Mal höher und dieses Mal ohne Vorschlag zur Gegenfinanzierung. Das vergangene Jahr hat uns gezeigt, dass Geld da ist, wenn es unbedingt gebraucht wird. Tatsächlich haben wir genau das in den vergangenen Jahren zum Thema gemacht, mit dem kleinen Unterschied, dass wir uns um die Gegenfinanzierung Gedanken gemacht haben. Wir haben immer wieder Investitionen im Sozial- und Umweltbereich gefordert, ebenso Steuererhöhungen, aber auch ein Abweichen von der Schuldenbremse. Die Verschuldung für sozial und ökologisch notwendige Maßnahmen hielten und halten wir für rentierlich, denn mit dem richtigen Einsatz der Mittel können spätere Schäden, Kollateral- und Folgeschäden vermieden werden und das Leben menschlicher und glücklicher gestaltet.

 

Ohne die Doppik wäre die Darstellung einiger Maßnahmen einfacher gewesen, doch inzwischen wurde die Doppik modifiziert und die Geldpolitik trotz dieser Art der Buchführung großzügig. Das heißt auch, dass unsere Sorge, der Haushalt der Stadt Bruchsal werde verheerende Löcher aufweisen, in denen die Bibliothek, die Musikschule, die Bäder und der Stadtbus versinken würden, unnötig war. Diese Einrichtungen laufen mit Zuschüssen weiter, trotz Pannen wie im Schwimmbad Heidelsheim. Vor diesem Hintergrund haben wir bewusst unsere Anträge gestellt, um die jetzt gegebene Chance zu einer nachhaltigen Entwicklung der Stadt zielstrebig voranzutreiben.

 

Eine nachhaltige Stadtentwicklung benötigt eine Verkehrsplanung, die alle Verkehrssysteme ernst nimmt und gleichberechtigt behandelt. Generell ist zu Rad- und Fußwegen in Bruchsal zu sagen: Der Ausbauzustand ist schlecht. Es gibt kaum echte Radwege und wir wiederholen uns: Die meisten sogenannten Radwege sind keine Radwege, sondern multifunktionale Randstreifen auf nur einer Straßenseite für alle, die ohne Auto oder Motorrad unterwegs sind. Der Radverkehr wird dabei zum Geisterverkehr, denn er fährt zur Hälfte gegen die Fahrtrichtung der Autos und Busse. Dementsprechend gefährlich und anstrengend, auch für den PKW-Verkehr, sind die Stellen, an denen der Autoverkehr Radwege überquert. Hier muss endlich wirklich angepasst geplant und gebaut werden. Und hier muss auch noch einmal die Situation am Bahnhof kritisch betrachtet werden. Auch der ruhende Radverkehr darf beim Bahnhofsumbau nicht ausgeklammert werden, denn es zeichnet sich ab, dass immer mehr Menschen dieses Verkehrsmittel entdecken. Der Trend kann sich fortsetzen – vor allem dann, wenn die Rad-Nutzung baulich erleichtert und unterstützt wird. Es muss deshalb auch Raum am Bahnhof für den parkende Fahrräder geben, am besten ein Fahrradparkhaus neben dem PKW-Parkhaus, also möglichst nah an Bahnen und den Bussen.

Es gibt dieses Mal einige Anträge zum Thema Radverkehr.

Wir stimmen selbstverständlich den Anträgen der SPD zur Verbesserung des Radverkehrs zu, auch wenn wir unseren Antrag mit 150000,00 € für den Radverkehr und den dazu kommenden Fördermitteln für den Betrag halten, der im kommenden Jahr tatsächlich umgesetzt werden kann. Erstens, weil es zahlreiche Fördermittel gibt und die Stadtverwaltung immer sehr aufmerksam die Fördertöpfe beobachtet und abruft und zweitens, weil auch ein Radweg Planung und Bauzeit braucht und kaum bereits im kommenden Jahr die ganze Summe benötigen wird. Für Popup-Radwege, um neue Routen zu testen und anschließend zu planen sowie für Überdachungen der Radabstellplätze an den Schulen ist unser Ansatz passend. Mit der Überdachung kann gleich an der KAS begonnen werden. Die Popup Radwege werden neue Möglichkeiten sichtbar machen: Sobald daraus neue Radwege entstehen, wird mehr Geld notwendig sein – es wird aber eine weit kleinere Summe sein als der Straßenbau für den mobilen Individualverkehr verschlingt. Und dabei meinen wir nur den Anteil, der wirklich für PKWs notwendig ist, nicht für Busse und Rettungsfahrzeuge, das sind Ampelanlagen, mehrere Fahrspuren für erhöhtes Verkehrsaufkommen, Abbiege- und Überholspuren, Parkplätze, Beleuchtung und Bewachung. Radverkehr ist wesentlich preisgünstiger.

 

Ebenso gibt es Fördermittel für die Anschaffung eines weiteren Leihwagen-Elektroautos, ein Fahrzeug steht bereits im Plan. Damit können dann Helmsheim und die Südstadt versorgt werden.

Außerdem setzen wir uns für Tempo 30 statt Tempo 50 im ganzen Stadtgebiet und Temporeduzierung auf zwischenörtlichen Straßen, soweit es möglich ist, ein. Temposenkung ist auch Verkehrsberuhigung, bzw. Lärmschutz. Um das Bewusstsein für das Thema Lärm zu schärfen, fordern wir wieder ein Motorradlärmdisplay. Zur Planung der Stadtbahnlinie S2 von Stutensee nach Waghäusel über Bruchsal stellen wir keine finanzielle Forderung. Wir merken hier aber eine Verschleppung, wieder einmal eine Aversion gegen den schienengebundenen Öffentlichen Nahverkehr, obwohl dieses Verkehrsmittel wie kein anderes Menschen zum Umsteigen bewegt, ganz im Gegensatz zu Bussen. Wir fordern hier mehr Einsatz für dieses Projekt und von der Stadtplanung, bei allen Projekten die Westseitentrasse weiterhin mitzudenken und frei zu halten.

 

Den vorliegenden Anträgen, im Digitalisierungsbereich und im sozialen Bereich zu sparen, stimmen wir nicht zu.  

 

Der soziale Bereich ist unterbesetzt – gemessen an den bestehenden Problemen, die das menschliche Leben unmittelbar betreffen und die immensen Auswirkungen auf das Leben von Kindern und Jugendlichen haben. Jeder tiefere Blick in die bestehenden Verhältnisse lässt solche obendrein winzigen Sparvorschläge schnellstens verstummen. Wir möchten möglichst bald im kommenden Jahr einen Bericht vom Sozialamt über die Lage von Menschen in prekären Arbeits-, Lebens- und Wohnverhältnissen in Bruchsal. Auch hier geht es um Zukunft und auch in diesem Bereich gibt es Förderprogramme, vor allem für Kinder und Jugendliche.

 

Das Sparen lehnen wir auch im Digitalisierungsbereich ab. Niemand will aktiv die Digitalisierung stoppen, aber niemand möchte sie bezahlen, gerade so, als sei Digitalisierung eine Luftnummer. Doch nichts ist teurer, als die Pflege paralleler Systeme, die Verschleppung und Unterbrechung begonnener Prozesse, Prozesse, die obendrein u.a. auch sensible Bereiche wie die Sicherung und Speicherung von Daten beinhalten – richtig wäre zu sagen, den Schutz von Wissen, betreffen. Jede Stadt, die in dem Bereich eigenes Personal aufgebaut hat, wird froh darüber sein, denn Ressourcenmangel wird zusätzlich die Kosten hochtreiben.

 

Unsere Arbeit für eine ökologische Stadtplanung verfolgen wir auch ohne expliziten Antrag im laufenden Jahr weiter. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Maßnahmen des european energy award wie „Mehr Grün im Quartier“ zügig weiter umgesetzt werden, dazu gehört auch die Erarbeitung eines naturnahen Mahdkonzepts, Öffentlichkeitsarbeit plus ein jährlicher Garten-Wettbewerb mit wechselnden Themen, z.B. artenreiche Vorgärten, Balkon- und Terrassenbepflanzung, Bäume im Garten, Dachbegrünung etc., sowie das Abrufen von Förderprogrammen mit Zuschüssen für die Hof-, Fassaden- und Dachbegrünung.

 

Eine Grüngutsammelstelle, wie die Freien Wähler sie fordern, sollte kostendeckend arbeiten: Das sehen wir bei dem Antrag nicht. Eine städtische Bezuschussung von Garteneigentum halten wir für falsch, abgesehen davon, dass es bei ökologischer Gartengestaltung nichts zum Wegfahren gibt.

 

Das Thema Stadtverschmutzung und Müllentsorgung wird uns im kommenden Jahr beschäftigen. Vielleicht wäre es aber sowieso sinnvoller, auf Pfandsysteme zu setzen, sowohl aus kosten- als auch aus Umweltsicht. Hierzu könnte dann auch der Antrag zur Neugestaltung des Wochenmarkts passen. Der Jugendgemeinderat hat das Problem der Plastikverpackungen angesprochen – das heißt, auch wir halten es für richtig, im kommenden Jahr grundsätzlich über den Wochenmarkt zu beraten. Dabei sind auch die Wirtschaftsförderung und das Ordnungsamt einzubeziehen.

 

Wir werden uns auch noch einmal mit dem Thema Beleuchtung im Außenbereich beschäftigen. Insektenfreundliche Beleuchtung im Außenbereich gibt es nicht – durchaus aber Kompromisse, die bewusst eine Beeinträchtigung für die Insektenwelt in Kauf nehmen.  Hier sind die Interessen ernsthaft abzuwägen ohne die Auswirkungen von Beleuchtung schön zu reden.

 

Ein Parkleitsystem halten wir – immer noch – für überflüssig. Bruchsal hat keinen Parkplatzmangel, sondern Probleme mit dem Parksuchverkehr, der nach kostenlosen Parkplätzen Ausschau hält. Interessanter wäre hier ein Handyticketsystem an den Parkautomaten, das ohne Schwierigkeiten in anderen Städten funktioniert.

 

Interessant ist der Antrag, neue Planstellen nach objektiven Gesichtspunkten zu besetzen. Wir gehen nach der Prüfung von Objektivitätskriterien davon aus, dass die Bereiche Soziales und Ökologie einen gewaltigen Ausbau erleben würden und stimmen gerne zu. Die Forderung nach jährlicher Stellenbegrenzung müssen wir aber leider ablehnen, denn damit wäre der erste Teil des Antrags auf objektive Kriterien voraussichtlich kaum umsetzbar.

 

Nach der Abstimmung der Anträge steht der gesamte Haushalt zur Abstimmung. Er enthält wieder – wie immer – viele Pflichtaufgaben. Wir stehen hinter dem Ausbau der Kindergärten, besonders auch hinter den Projekten in Büchenau und Untergrombach. Mehrgeschossiges Bauen sollte aber nicht nur bei Kindergärten, sondern auch z.B. bei Einkaufszentren endlich favorisiert und gefordert werden. Wir werden uns auch hier weiter für ein Umdenken einsetzen. Wichtig wird in der Stadtplanung der Umgang mit Altbauten bleiben. Das hat auch die EU erkannt und die Renovierungswelle gestartet, eine neue Strategie zur energetischen Sanierung von Altbauten.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bruchsaler Wohnungsbaugesellschaft weiter daran arbeitet, neue Sozialwohnungen mit hohem energetischem Standard zu bauen, aktuell die Weidenbusch-Siedlung, bald die Siemenssiedlung. Hier wird auch eine Verdichtung erfolgen, die Flächen im Außenbereich schont. Ebenso sind wir zufrieden mit der Entwicklung der Stadtwerke, mit dem Aufbau eines Fernwärmenetzes und dem Bau einer weiteren Photovoltaik-Anlage an der Autobahn.

 

Auch hier gibt es die üblichen Fördermittel: Dazu aber an diese Stelle doch ein Wort zum Thema Fördermittel. Leider ist Politik über Fördermittel der nicht hinterfragbare Normalzustand des politischen Gestaltens. Das ist nicht immer rational und viel Geld verschwindet in der Antrags- und Prüfungsbürokratie. Auch das sind Arbeitsplätze, ökologisch sinnvoll wäre aber eine Planung mit einwohnerbezogenen Kriterien und finanziellen Zuweisungen, die nicht davon abhängig sind, ob eine Kommune schnell und reich genug ist, Fördermittel abzurufen. Diese Form des kommunalen Wettbewerbs ist nicht zielführend.

 

Ebenfalls im kommenden Jahr grundsätzlich angehen wollen wir das Thema Wald. Tatsächlich könnte mit überschaubaren finanziellen Mitteln und einem geringfügigen Verzicht auf Einnahmen ein anderer Umgang mit der Ressource Wald erfolgen, stärker orientiert an schonender, ökologischer Entwicklung, die auch den Erholungs- und Freizeitwert steigert.

Wichtig wird auch das Thema Vereinsförderrichtlinien. Dabei scheuen wir die Debatte nicht: Sie braucht aber eine transparente Kommunikation. Ohne diese wird es keine befriedigende Lösung geben.

 

Zum Schluss danken wir der Oberbürgermeisterin ausdrücklich, dass sie mit großem Augenmaß und ohne Panik die Pandemiemaßnahmen umgesetzt hat, bis zum Schluss den Weihnachtsmarkt unterstützt und das Abschlussessen des Gemeinderats auf der Tagesordnung gehalten – damit hat sie letzten Endes die Impfkampagne verantwortungsvoll unterstützt.

 

Wir danken der Verwaltung für ihre Arbeit und stimmen dem Haushaltsplan 2022 zu.

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